Interview zum Vortrag am Sonntag: „Verhaltensänderungen beginnen nicht im Kopf, sie sind emotional gesteuert“

Wie ist gesellschaftlicher Wandel hin zu mehr Klimaschutz möglich? Interview mit Claire Simon, Expertin im Bereich Nachhaltiger Entwicklung zu ihrem Vortrag am Sonntag, 06.04. 18 Uhr bei uns im DAV Memmingen.

Klima-Aktionstag DAV MEMMINGEN

Wann: Sonntag, 06. April 2025 ab 14:00 Uhr bis etwa 18 Uhr, im Anschluss Klima-Vortrag

Wo: DAV boulder alpin zentrum MEMMINGEN 

Wir präsentieren unsere Sektion, unsere Umweltschutz- & Klimaschutzmaßnahmen und veranstalten ein buntes und informatives Programm für Groß und Klein rund um die Themen Natur- & Umwelt- und Klimaschutz.
Euch erwarten Info-Stände von uns, KIMM und dem ADFC, ein Kinderprogramm mit CO2-Schnitzeljagd und Basteln mit natürlichen Materialien. Zudem wird unser Bistro-Team einige klimaverträgliche Snacks vorbereiten. 

Kommt vorbei, lasst euch inspirieren und bleibt dann im Anschluss zum Vortrag!

Wie ist gesellschaftlicher Wandel hin zu mehr Klimaschutz möglich? Wie erreicht man eine breite Masse? Verhaltensänderung, Veränderung von Gewohnheiten und Lebensstilen sind ein Prozess in mehreren Schritten, Widerstände sind legitim und unvermeidlich in einem Veränderungsprozess, sie sind kein Problem sondern eine Botschaft.

Wann: Sonntag, 06. April 2025 um 18:00 Uhr 

Wo: DAV boulder alpin zentrum MEMMINGEN 

Zum Vortrag in unserem Programm

 

Sie engagieren sich seit etlichen Jahren für das Thema Klimawandel und unseren Umgang damit.
Gab es einen Schlüsselmoment, der bei Ihnen dazu führte, dass Sie sich diesem Thema widmen wollten?

Ich beschäftige mich seit über 20 Jahren mit Umweltschutz und regionaler Entwicklung. Klimawandel spielt dabei natürlich eine große Rolle. Die zentrale Frage unseres Umgangs, als Mensch, mit der Natur und mit dem Klimawandel ist über die Jahre immer stärker in den Vordergrund gerückt.
Aber ich glaube, ein entscheidender Moment für mich persönlich waren die 6 Monate, die ich als Forschungsassistentin im Naturschutzgebiet von Ranomafana in Madagaskar verbrachte. Ich war 18 Jahre alt und hatte gerade mein Abitur abgeschlossen. Ich wollte mich in Zukunft mit dem Schutz der Natur beschäftigen. Nach diesen beeindruckenden Monaten im tiefen Wald, in einem Zelt, umgeben von Tieren und Pflanzen, hatte ich das Gefühl, dass der Schlüssel zum Schutz der Natur nicht dort zu finden ist, sondern bei den Menschen selbst. Trotz unseres Wissens über die Natur, den Klimawandel, trotz technischer, finanzieller oder organisatorischer Lösungen, sind es oft individuelle oder kollektive Barrieren, die verhindern, dass Strategien zum Schutz der Umwelt umgesetzt werden.

Sie betonen oft, dass „Verhaltensänderungen meistens nicht im Kopf beginnen, sondern dass sie emotional gesteuert sind“. Warum fällt es vielen von uns so schwer, sich mit dem Thema Klimawandel auseinanderzusetzen? Wie kann es besser gelingen, dass sich Menschen mehr mit der Klimakrise beschäftigen und nicht in eine Abwehrhaltung gehen?

Es gibt sicher mehrere Faktoren, die einen eher „intern“ und andere eher „extern“. Die Emotionen gehören zu den „internen“ Faktoren, so wie auch Werte, Glaube, Weltanschauung, persönliche Visionen. „Externe“ Faktoren liegen eher im Umfeld: Regeln, technische Lösungen, wissenschaftliche Ergebnisse, Förderungen, Gewinne oder Vorteile, und vieles mehr. Je nach Thema sind Menschen mehr oder weniger von den internen oder externen Faktoren beeinflusst.

Kein Mensch agiert und reagiert gleich, aufgrund der persönlichen Geschichte, Erziehung, Lebenssituation, Interessen, des sozialen Umfelds. Es gibt keine allgemein gültige Lösung, die alle Menschen gleich motivieren kann, sich mit dem Klimawandel auseinanderzusetzen. Deshalb ist es wichti,g Diskurse und Maßnahmen gezielt an den Menschen anzupassen – und dafür muss man diese Menschen gut kennen. Es gibt einen Teil der Menschen – etwa 15% der Bevölkerung laut einer französischen Studie aus dem Jahr 2023 –  für den der Klimaschutz ein wichtiger Wert ist, also ein interner Faktor, der sie zum Handeln treibt. Die anderen, die große Mehrheit, hat diverse andere Motivationsfaktoren. Wenn man diese Mehrheit bewegen will, muss man herausfinden, was sie motiviert. Und vielleicht ist es gar nicht nötig oder sogar kontraproduktiv überhaupt so viel negativ vom Klimawandel zu sprechen.

Viele Menschen sind sich ihrer Verantwortung bewusst und ändern bereits ihr Handeln. Sie ernähren sich vegan, verzichten – wann immer möglich – auf Flüge, kaufen fast keine Kleidung und versuchen auch sonst möglichst nachhaltig zu leben. Und doch bleibt die Frage: Was bringt schon Eigeninitiative beim Klimawandel, wenn Länder und Konzerne weitermachen wie bisher?

Die Veränderung muss auf allen Ebenen stattfinden. Sicher braucht es Systemänderungen in Regierungen und in Konzernen – diese reagieren aber auch auf das, was in der Gesellschaft passiert. Wenn der Druck von den einzelnen Menschen stärker wird, erhöht es auch das Interesse und die Kapazität von großen Organisationen, Veränderungen in Gang zu setzen.

Wir wissen nicht, was auf uns zukommt und ob unsere Länder, Konzerne und andere Beteiligte es schaffen werden, die nötigen Änderungen schnell genug umzusetzen. Umso wichtiger ist es, die eigene Resilienz aufzubauen, um seine eigene Fähigkeit zu stärken, auf das Ungewisse zu reagieren. Ich glaube auch, dass es wichtig ist, im eigenen Umfeld Solidarität aufzubauen oder zu stärken. Deshalb macht es besonders Sinn, sich auf lokaler Ebene oder in beruflichen oder privaten Netzwerken zu engagieren, um gemeinsame Schritte zu gehen.

Es gibt laut Wissenschaft noch Möglichkeiten, Tipping Points* zu verhindern. Wir müssten so dringlich so viel ändern, aber wir tun es nicht oder viel zu langsam. Dazu kommt der politische Trend nach „rechts“, das Thema „grün“ scheint immer unpopulärer zu werden, ein deutscher Kanzler bezeichnet demonstrierende Menschen als "linke und grüne Spinner". Man könnte verzweifeln. Wie gehen Sie persönlich mit diesem Zwiespalt um?

*Tipping Points sind Kipppunkte, die sich nicht rückgängig machen lassen und irreversible Schäden und Prozesse antreiben. Wenn ein Kipppunkt erreicht ist, verschlimmert sich die Situation unaufhaltsam, man kann nichts mehr tun, um das aufzuhalten. Ein Tipping Point ist zum Beispiel das Abschmelzen der Pole oder auch der Gletscher. Es gibt immer noch die Möglichkeit, das aufzuhalten, aber wir sind viel zu langsam.

Es gibt natürlich auch Momente, in denen ich zweifle, in denen ich Ärger, Resignation oder Angst verspüre. Aurélie Jean, eine französische Wissenschaftlerin, sagte einmal „Manche halten Optimismus für naiv, dabei ist Optimismus kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit. Gerade in unsicheren, zweifelhaften oder schwierigen Situationen hilft Optimismus, durchzuhalten.“

Ich bin tief davon überzeugt, dass ich mein eigenes Leben und mein Umfeld mit Hilfe von Neugier, Motivation, Enthusiasmus, Freude mehr ändern kann als mit Ärger, Angst oder anderen negativen Emotionen. Ich kann nicht alles beeinflussen, aber ich habe sicher einen Teil Verantwortung in der Art und Weise, wie ich die Welt betrachte. Ich handle nicht für oder gegen andere, sondern für das, was mir richtig und sinnvoll scheint. Meine Motivation ist eher eine innere Motivation. Ich weiß auch, dass alles, was ich tue, nicht perfekt ist; ich behaupte nicht, die perfekte Lösung zu kennen.

Meine Lebensphilosophie fasse ich in einem kurzen Satz auf Pidgin Englisch** zusammen „I do my level best“. Das zu tun, was in meiner Macht steht, bringt mir viel und ich kann nicht mehr, als einen Schritt nach dem anderen gehen. Um mich daran zu erinnern, gehe ich oft Wandern.

Was mir auch immer wieder viel Motivation und Sinn bringt, ist die Begegnung mit Menschen, die auf dem Weg sind. Die Herausforderungen unserer Zeit sind auch eine unglaubliche Chance neue Routen zu entdecken – vielleicht nicht zu mythischen Gipfeln oder neuen Kontinenten, sondern zu subtileren, verborgenen Orten. Und zu einer respektvolleren Beziehung zwischen uns Menschen und der Natur.

**Pidgin Englisch spricht man in einem Teil von Kamerun, in dem ich geboren und bis zum 6. Lebensjahr aufgewachsen bin

Am Sonntag, 06. April 2025, 18 Uhr, sprechen Sie im Rahmen des Klimafrühlings beim Alpenverein Memmingen über „Das Klima ändert sich – und wir?“ Könnten Sie uns kurz erzählen, was Interessierte von Ihrem Vortrag erwarten können?

Ich werde im Vortrag Schlüssel und neue Einblicke geben, um den gesellschaftlichen Wandel in Bezug auf den Klimawandel besser zu verstehen und auf den Weg zu bringen. Dabei spielt der Faktor Mensch, der lange von Wissenschaft und Politik unterschätzt wurde, eine wichtige Rolle. Ich werde mich auf diverse wissenschaftliche Modelle stützen, die einen Einblick geben, wie Menschen auf individueller oder kollektiver Ebene reagieren.

Somit werde ich die TeilnehmerInnen einladen, eine neue „Brille“ auszuprobieren, um den Klimawandel und den Faktor Mensch aus anderen Perspektiven zu betrachten, um die Blockaden und Motivationsfaktoren besser zu verstehen. Dieser Ansatz kann sehr hilfreich sein, wenn man selbst – oder auch mit Leuten in seinem Umfeld – Veränderungen initiieren oder unterstützen möchte, im Sinne des Klimas. Da ich das Publikum gerne auch aktiv in meine Vorträge involviere, werde ich vermutlich die eine oder andere Übung oder ein Gedankenexperiment anbieten. Ich freue mich schon sehr darauf!

Vielen Dank für das Interview und bis zum 06. April!